Architektur & Identifikation

Das Problem vieler Neubaugebiete ist der Mangel an eigener Ausstrahlung, was zu einer mühsamen Entwicklung in Richtung eines funktionierenden, urbanen Raums führt. Identität ist vielschichtig und dementsprechend vielschichtig muss auch der Aufbau eines neuen, unverwechselbaren Erschienungsbildes sein, das die Identifikation fördert. Die Identitäts-, aber auch Identifikationslücke zu schließen, war eines der wesentlichen Anliegen des >kabelwerk<-Projekts. Die Bausteine, die diese Lücke schließen sollen, sind sehr verschieden:

1. Der Altbestand

Es war immer ein Wunsch der Bevölkerung, Teile der früheren Kabelfabrik zu erhalten. Der Schornstein als weiterhin sichtbares Symbol schien für viele Bürger ein logisches Element der Erinnerung zu sein, zumal man anfänglich aus Kontaminations- und Wirtschaftlichkeitsgründen nicht damit rechnen konnte, ganze Gebäude der KDAG zu erhalten. Letztendlich stellte sich heraus, dass die Objekte an der Oswaldgasse wirtschaftlich verwertbar waren und zudem keine gefährlichen Verunreinigungen aufwiesen. Damit konnte ein wichtiger Teil erhalten und sinnvoll einer Neunutzung zugeführt werden. So kann ein wesentlicher Beitrag zur Identitätsstiftung geleistet werden. Diese Objekte im >kabelwerk< stellen trotz, oder besser sogar wegen der Nutzungstransformation die Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Zukunft dar.

2. Die Struktur des öffentlichen Raumes

Durch die Ausformung, durch den Umstand, dass es kein vergleichbares Raumgefüge bei Neubausiedlungen gibt, ist eine Unverwechselbarkeit gegeben, eine austauschbare Uniformität wird vermieden.
Städteräumliche Kontraste werden umgesetzt, ein Netz von Straßen, Wegen und unterschiedlichen Plätzen formuliert einen vielfältigen Lebensraum. Zum ersten Mal in der neueren Planungsgeschichte der Stadt wurde dem öffentlichen Raum die gestalterische Trägerfunktion zuerkannt. Weg von der Raumdominanz des Architekturobjekts hin zur Architekturdominanz des Raumes. Die Architektur „wickelt“ sich quasi um den definierten öffentlichen, Stadtbild prägenden Raum (Wrap around – architecture)

3. Die Architektur

Durch die Aufteilung in Baufelder, durch die Differenzierung der Höhenstruktur und vor allem durch verschiedene Architektenteams, die für die Planungen verantwortlich zeichnen, ist ein abwechslungsreiches Erscheinungsbild gegeben. Ergänzend sei aber bemerkt, dass es ungeheure wichtig war, dass die Teams zwar eigenständig planten, aber durch ein Miteinander und unter Einbeziehung der Freiraumplanerinnen ihre Planungen aufeinander abstimmten, um so das Gelände nicht zu einem „Architekturpark“ werden zu lassen, sondern homogen in der Heterogenität zu sein.

Durch dieses gegenseitige aufeinander Reagieren kann jenseits von klassischen städtebaulichen Vorgaben wie zb. Abstandsregelungen konkret auf Blickbeziehungen, Raumkonfigurationen, den Kontrast von Enge und Weite bzw. auf Materialität und Farbgebung eingegangen werden.
Obwohl gleichzeitig geplant, vermitteln die einzelnen Gebäude die Atmosphäre einer gewachsenen Stadt.
Dieser ganzheitliche neue Stadtteil ist einem optimalen Zusammenspiel von Bauträger und Architektenteam und der Umsetzung aus einer Hand durch die Kabelwerk Bauträger GmbH zu verdanken.

4. Grün- und Freiflächenkonzept

Der Stadtteil >kabelwerk< verfügt über eine besondere Grün- und Freiflächengestaltung. Neben den Grün- und Spielflächen sowie Mietergärten, die den einzelnen Wohnhausanlagen zugeordnet sind, verfügt der Stadtteil >kabelwerk< über zahlreiche Promenaden, Plätze, Kleinkinderspielflächen. Neben den Wohnanlagen befindet sich eine zwei Hektar große Parkanlage, mit einem großzügigen Jugendspielplatz und Seniorentreff. Die Bebauung umschießt eine Folge von intimen Plätzen, die den Fußgängern vorbehalten sind.
Grünraumplanung durch D.I. Heike Langenbach und D.I. Anna Detzelhofer

5. Die Bürgerbeteiligung

Der vielleicht wichtigste Baustein zur Identitätsfindung. Die Einbeziehung der Bürger, sei es durch den Bürgerwettbewerb, den Bürgerbeirat, der an allen Sitzungen der städtebaulichen Begleitgruppe teilnahm und auch in der Jury des Ideenwettbewerbs vertreten war oder durch große Events oder kleine Diskussionsrunden, die Kinderbeteiligung – all dies war von essentieller Bedeutung, den Kontakt zwischen Mensch und Projekt zu intensivieren. Die wachsende Begeisterung für den Prozess war und ist gleichzeitig die wachsende Identifikation mit dem Projekt.

Auszug aus dem Buch „>kabelwerk< – Entwurfsprozess als Modell; Der Stand der Dinge“, von der Stadt Wien


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